Die Droste by Utta Keppler

Die Droste by Utta Keppler

Autor:Utta Keppler
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: SAGA Egmont
veröffentlicht: 2017-12-01T00:00:00+00:00


8.

Kind – Bruder – Geliebter: Levin Schücking

Als Annette dann mit der Mutter wieder zurückreist – lange rumpelnde rädernde Wagenfahrten, Kopfweh und Gliederschmerzen –, als sie zurück ist, kündigt sich unverhofft mit einem Brief der junge Levin Schücking an, und jetzt verwischt sich Annettes Erinnerung, und wirbelnd dreht sich Zeit und Jahr und die kleinen Rosengesichter sind versunken und eingegangen in das größere des jungen Erwachsenen.

* * *

In November 1831 hatte sich Annette auf die Freundschaft zu Katharina Busch besonnen, die verheiratete Schücking, die, wie sie selber, trotz ihrer Ehe allein war und allein kämpfte.

Denn ihr Mann war ein unzuverlässiger und unbeherrschter Mensch, der sie quälte und oft auch äußerlich allein ließ. Ihr will Annette jetzt tröstlich zusprechen, wie sie es täglich der lieben Jenny tut, und ihr schreiben.

Sie versenkt sich, wie sie das in solchen Fällen tut, in das Dasein der Frau, denkt an diese allzu rasch geschlossene Ehe – ein paar wenige Übereinstimmungen hatten die warnenden Stimmen des Inneren übertönt –, an die langsame Ernüchterung, die sie ihr, Annette, gestanden hatte, und das Unglück, das schließlich nicht mehr wegzuleugnen war, die täglichen häßlichen Szenen, kleinliches Gezänke, dumme Anschuldigungen, obwohl Katharina sich ehrlich entschlossen hatte, allem Musischen, allem Willen zur Formung und Gestaltung abzusagen und nur noch die Frau dieses schwankenden Mannes zu sein.

Sie hatte ihr, Annette, dann den kleinen Buben empfohlen, den blonden, süßen Levin, den Annette ein- oder zweimal gesehen hatte.

Annette setzt sich also an ihren Schreibtisch, um der gequälten Freundin einen Gruß zu schicken, und breitet, da es kühl und feucht und novemberlich im Raum ist, auf die kalte polierte Platte eine Zeitung unter den Briefbogen.

Da sieht sie eine Zeile in der Zeitung – und sieht nicht mehr, es wird ihr dunkel vor den Augen, sie liest doch, und noch einmal: Katharina Schücking ist tot, gestorben mit 36 Jahren; sie hat ihren frühen Tod geahnt, aber Annette hat es nie glauben wollen …

Nachher, es ist der Auftrag der Toten, lädt Annette den jungen Levin ein, der völlig verstört, ein Siebzehn- oder Achtzehnjähriger, vor ihr steht; mit dem Vater sei es nichts mehr, stammelt er, und wo und wie die Mutter gestorben sei, darüber könne er nicht reden.

Und jetzt müsse ja das Gymnasium zuerst absolviert werden und dann werde er schon sehen …

Annette weiß nicht mehr genau, was sie dem Buben gesagt und zulieb getan hat, eh sie ihn ziehen ließ; sie weiß auch nicht – das erfährt sie erst viel später –, wie dürftig und jämmerlich er sein Leben hinbringt, zu erschöpft, um den kräftigen Kameraden immer gewachsen zu sein, und doch voll von brennendem Eifer und Ehrgeiz, so, allein, etwas zu werden und vorzustellen.

Ach, sie hatte selber nicht viel übrig, aber sie hätte es dem anvertrauten Kind gegeben, hätte sie nur alles gewußt! Dem blassen blonden jungen mit den staunenden Kinderaugen, zarthäutig und mit rosigen Ohrmuscheln, mit dunkelblonden gerollten Locken, glänzend und wie von einem leichten Zephir bewegt – was sind das für pathetische Redereien? Liebe arme Katharina, wie bist du gestorben, da du gewußt hast,



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